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Leben ist Bewegung

20. März 2022 | Yoga & Pilates
Monika Schindlbeck bei einer Pilatesübung auf der Pilatesmatte
(Foto: © Christoph Grothgar)

Leben ist Bewegung: „You are only as young as your spine is flexible.“  (Joseph Pilates)

War der 1880 bei Düsseldorf geborene Joseph Pilates als Kind eher zart und durch Krankheiten wie Asthma und Rachitits, die damals im Arbeitermilieu gang und gebe waren, gebeutelt, so erarbeitete er sich mit seinem äußerst starken Willen durch Krafttraining und Sport einen athletischen, gesunden Körper. 

Preußisches Disziplin und der Wille zur Perfektion 

Als eines von neun Kindern wuchs Joseph in ärmlichen Verhältnissen auf, eine strenge peußische Erziehung und hohe Kindersterblichkeit durch schlechte hygiensche Bedingungen und wenig Aussicht auf ein leichteres Leben prägten seine Kindheit und Jugend.
Von klein auf liebte er aber Bewegung und bewunderte die Eleganz seines Vaters bei den Übungen im Turnverein. Und er liebte es, Tiere wie Eichhörnchen, Vögel und Katzen zu beobachten, wie sie sich mühelos und anmutig in der Welt bewegten. Früh interessierte er sich für das Boxen, das allerdings als ,typisch englischer‘ Sport in Deutschland noch keine breite Akzeptanz hatte und gewissermaßen im Untergrund stattfand. 

Ein guter Beobachter

Seine erste Ehe und seine Arbeit als Bierbrauer brachten ihm nicht die Erfüllung und auch nicht die Geburt seiner Tocher Leni 1906 machten ihn wirklich glücklich – nur beim Turnen, Boxen und Kraftübungen fühlte er sich ganz bei sich. Jedoch  verfolgte er die physische Entwicklung seiner Tochter mit Faszination: stundenlang konnte er sie beobachten, wie sie mit Armen und Beinen strampelte, ruderte, den Kopf nach oben reckte und versuchte vorwärts zu kommen. Er legte sich sogar neben sie und machte ihre Bewegungen nach, und stellte fest, wie anstrengend die Übungen seiner Tochter waren, alles musste mitarbeiten: Arme, Beine, Bauch- und Rückenmuskeln! Und nie gab sie auf, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Besonders fiel ihm dabei auf, wie wichtig die Erholungspausen für das Kind waren: mitten im Spiel fielen ihr die Augen zu und sie schlief ein, ruhig und völlig entspannt. Nur um aufzuwachen und erneut zu trainieren.

Diese Beobachtungen war prägend für Joseph Pilates und seine Einstellung zur Körperwahrnehmung, wie sich bald zeigte.

Nach dem Tod des zweiten Kindes Hans im Alter von 10 Monaten verließ er seine Frau Maria und Deutschland, wobei seine Wege und Beweggründe mangels Aufzeichnungen nicht genau nachvollziehbar sind. Geschwächt von den Geburten und dem Gram über den Tod des Sohnes und den Verlust des Mannes starb seine Frau bald darauf im Alter von nur 26 Jahren, die Tochter blieb bei der Schwiegermutter. Er kehrte nur zur Beerdigung zurück und nahm dann Abschied von Deutschland. 

Frauengesundheit in den Kinderschuhen

Das Schicksal von Maria Pilates teilten damals viele Arbeiterfrauen, sie stolperten von einer Geburt in die nächste, ohne Ruhepausen, in denen sich Bauch- und Beckenbodenmuskulatur regenerieren konnten. Die harte Arbeit und schlechte medizinische Versorgung wirkte sich fatal auf ihren Gesundheitszustand aus. Diese negativen Auswirkungen auf die Frauengesundheit waren es, die die Medizinerin Bess Mensendieck dazu veranlassten, ihre Gymnastik für Frauen zu entwickeln, und die den Blick auf dieses Thema an sich schärfte.

Auswanderung und Internierung

Joseph Pilates beschäftigte sich auch mit der Arbeit von Mensendieck, ging jedoch seinen eigenen Weg der Auswanderung: Dieser führte ihn zunächst 1912 wie viele Deutsche in dieser Zeit nach England und er ließ sich im Küstenort Blackpool nieder, einem beliebten Badeort und Touristenziel, und er wollte sich dort wohl ein Leben aufbauen. Doch dann kam der Erste Weltkrieg und er wurde im Zuge einer sich ausbreitenden Deutschenfeindlichkeit (man erachtete sie nun als Staatsfeinde) 1914 interniert. In der Inhaftierung erlebte er hautnah die Hospitalisierung und den Verfall vieler Mitgefangener, die plötzlich jeglicher Normalität und Aufgabe beraubt vor sich hinvegetierten, und er verglich die Dinge, die er beobachtete mit den Verhaltensauffälligkeiten von Tieren im Zoo. Wer die psychischen Belastungen nicht aushielt, litt an der sogenannten ;Stacheldrahtkrankheit‘ (,Barbed Wire Disease‘): die Betroffenen liefen mechanisch am Stacheldrahtzaun auf und ab, sie mieden anderen Menschen und sprachen mit sich selbst.

Kraft und Hoffnung durch strukturiertes Training

Pilates selbst gab sich nicht der Hoffnungslosigkeit hin, er begann schnell mit Gleichgesinnten Aktivitäten im Lager zu organisieren. Alles, was er sich an Wissen und Erfahrung über Übungen zur Körperkräftigung angeeignet hatte war jetzt sein ganzer Lebensinhalt: er leitete Gruppen für Boxgymnastik, die es den Teilnehmern ermöglichte, positive Erfahrungen im trostlosen Lageralltag zu machen und er gab vielen dadurch Hoffnung.

Das zweite Lager seiner Internierungszeit war auf der Isle of Man. Hier gab es offenbar viele Katzen, und diese zogen wie schon als Kind, schnell die Aufmerksamkeit und Bewunderung von Pilates auf sich. Er liebte es, die Tiere in ihren Bewegungen zu beobachten und er stellte fest, wie viel sie sich dehnten und streckten und ihre Muskulatur dabei geschmeidig und lebendig erhielten, und wie viel Kraft sie zugleich im Sprung hatten. Inspiriert von seinen Beobachtungen arbeitete er eine Serie von geordneten Übungen aus, die die Muskeln des Menschen genauso dehnen sollten wie die der Katze, aber auch die Verbindung von Dehnen und Stärken beinhalten. Für ihn war klar: Darin lag die Essenz von gelungener Bewegung. Dies war der Beginn seines strukturierten Trainings, das er im Laufe seines Lebens immer weiter ausarbeitete.

Mit Strenge und Genauigkeit zum Erfolg

Später, in  seiner Zeit als Trainer in New York, war Pilates für seine unerbittliche Strenge und auch Ungeduld bekannt. Seine preußische Erziehung und das damals vorherrschende Bild von einer perfekten Haltung durch Disziplin prägten seine Arbeit, die er durchaus mit einem ,Sendungsbewußtsein‘ und fast missionarisch als für die gesamte Menschheit unabdingbar ansah. Dies lässt sich sicherlich auch auf seine Erfahrungen in der Gefangenschaft zurückführen.

In seinem Studio in New York trainierte er überwiegend mit Tänzern, aber auch andere Künstler wie die Schauspieler Katharine Hepburn  oder Laurence Olivier begeisterten sich für die strukturierte Pilates-Methode. 

Du bist so jung wie Deine Wirbelsäule

Alter war für ihn stets relativ, solange man sich nur bewegte und trainierte und die Wirbelsäule geschmeidig erhielt.

Er gab sich selbst sogar einmal in einem späten Interview als 83-jährig aus, obwohl er erst 80 Jahre alt war – man sollte unbedingt wahrnehmen, wie effektiv sein Training war. Sein starker Wille zeigt sich in jedem Fall daran, dass Pilates immer noch in aller Munde ist.

Seine Trainingsmethode wurde und wird noch immer durch moderne physiologische Erkenntnisse ergänzt und verfeinert, so dass das Repertoire heute über 500 Übungen umfasst, aber sein Grundstock an Mattenübungen sind noch immer das Herz des Trainings.

Mehr dazu:

» Eva Rincke: Joseph Pilates. Der Mann, dessen Name Programm wurde
» www.pilatesbiography.wordpress.com

Bildnachweis Titelbild: © Christoph Grothgar

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Portrait von Monika Schindlbeck

Ich bin Monika Schindlbeck und als Bewegungstrainerin möchte ich Dich dabei unterstützen, gesund, kraftvoll und voller Elan zu leben. Als zertifizierte Yogalehrerin und Pilatestrainerin liebe ich die Abwechslung im Training und schwöre auf Konzentration und Verstehen als Schlüssel zum Erfolg.

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